Wie wertvoll sind diese Mittel?

Bereits in „Upps, die Sahne leckt“ habe ich im letzten Jahr über den Umgang der Menschen mit Lebensmitteln geschrieben. Also in der Zeit, als Corona noch nicht bei uns bekannt war. In der Zwischenzeit wurde viel über den Lebensmittelhandel und Lebensmittel berichtet. Zum Beispiel, weil es zum Beginn der Corona Pandemie zeitweise u. a. Mehl und Hefe nicht zu kaufen gab. Man könnte jetzt aus den Verkaufszahlen ableiten, dass Menschen mehr backen und kochen als vor Corona. Vielleicht sind es aber die Erinnerungen an die Erzählungen der Eltern, Großeltern ... aus dem Krieg oder aus der Zeit nach 1945, die Kunden veranlass(t)en, diese Produkte in größeren Mengen zu kaufen. Im April sagte ein Marktverkäufer, dass manche Kunden eine Gemüsepflanze kaufen, um sich so künftig selbst zu versorgen und nicht abhängig von den Supermärkten zu sein. Die Betonung seiner grinsenden Aussage lag auf eine Pflanze.

 

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (2020) hat einen lesenswerten Artikel darüber geschrieben, dass die Deutschen nicht mehr kochen können. Aber wie konsumieren die Menschen dann das gebunkerte Mehl? Oder wird es vielleicht gar nicht verarbeitet, weil die Menschen gar nicht wissen, wie sie es verwenden sollen? Dann würde der Artikel des RND ja wieder zutreffen.

Ich habe darauf keine Antwort. Allerdings denke ich, dass viele Mehltüten irgendwann im Müll landen werden. Leider.

 

Ich mache mir auch Gedanken darüber, warum sich der Umgang mit Lebensmittel in den letzten

Jahren/Jahrzehnten so verändert hat …

  • Vielleicht liegt es daran, dass früher mehr in den Familien gekocht wurde und/oder dass es Kochunterricht und Lebensmittellehre in den Schulen gab. Das notwendige Wissen über die Lebensmittel, wurde auch mir damals dort vermittelt. Und ich war auf keiner Mädchen- oder Hauswirtschaftsschule. Es stand auf dem normalen Stundenplan für alle! Immer mehr Menschen verlassen heute die Schule mit dem Reifezeugnis (auch Abitur genannt). Viele wissen dann, was Goethe und Schiller geschrieben haben, was Vektoren von einem wollen und können einen französischen Text übersetzen. Das ist sicherlich auch gut, aber zum Leben oder noch besser, zum Überleben reicht diese „Reife“ m. E. nicht unbedingt. Das spiegelt sich an meinem Bananen-Beispiel aus meiner o. g. Geschichte wider. Oder anders ausgedrückt, für eine matschige Banane gibt es keine zweite Nachschreibklausur. Das wahre Leben findet nicht auf dem Stundenplan statt. Ein Glück oder leider, das muss jeder selbst entscheiden. Wie wäre es mal mit einem Reifezeugnis, das auch Fächer aus den Bereichen logisches, praktisches und alltagstaugliches Handeln beinhaltet? Oder anders ausgedrückt, eine schulische Ausbildung, die zum Medizinstudium genauso gut qualifiziert, wie zum Überleben im Alltag, in der Quarantäne oder bei einem atomaren Ausnahmezustand.
  • Möglicherweise liegt es aber auch daran, dass Lebensmittel und zubereitetes Essen heutzutage fast überall gekauft werden kann. Oft auch sehr günstig. Nach meinem Verständnis – zu günstig. Der niedrige Preis assoziiert, dass es nichts oder wenig wert sein kann. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen/Konsumenten Lebensmittel nicht mehr wertschätzen. Es fehlt scheinbar häufig am Verständnis und Wissen über die Herstellung von Lebensmitteln. Das geht von der Milch, über das Fleisch bis hin zu Äpfeln und Ananas. Von den Verkaufspreisen, die heute im Einzelhandel gezahlt werden, kann kein Bauer auf der Welt leben, bzw. die Tiere artgerecht gehalten werden. Im Lebensmittelhandel wird um Nachkommastellen kalkuliert, nur um billiger als der Wettbewerber zu sein. Alle Handelsstufen bleiben dabei auf der Strecke. Das ist erschreckend. Wenn sich mehr Menschen mit der Nahrungsmittelkette beschäftigen würden, vielleicht sehe dann die Wertschätzung der Mittel zum Leben anders aus. Wahrscheinlich könnte der ein oder andere Gastronomiebetrieb höhere Umsätze erwirtschaften, wenn die Kunden/die Gäste mehr bereit wären, für (gute) Lebensmittel zu zahlen.
  • Vielleicht besteht auch ein Zusammenhang zwischen der „Laufessschaft“ und dem Genuss, etwas zu essen und dabei zu spüren, was man gerade isst. Man kann auch sagen. „mit allen Sinnen genießen“. Die Kultur im Laufen, beim Warten, beim Chatten ... zu essen, lenkt m. E. vom Genuss des Produktes, das man gerade verspeist ab. Häufig wird dieses To-Go-Teil noch schnell am Bahnhof gekauft, ohne dabei die Qualität, die Inhaltsstoffe usw. zu hinterfragen. Von der Unkontrollierbarkeit der Kalorienzufuhr will ich hier gar nicht sprechen. Letztens kam ich zufällig mit einem älteren Mann ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er jetzt seine Brötchen bei einem Handwerksbäcker und nicht mehr im Supermarkt kauft. Statt zwei Brötchen isst er jetzt ein Brötchen zum Frühstück. Die Brötchen sind zwar teurer, sie sind aber auch viel sättigender und wesentlich besser im Geschmack. Der etwas höhere Preis macht den Geschmack wieder wett. Ich finde, das ist ein gutes Beispiel für qualitativ hochwertige Lebensmittel.

 

Fragen ohne Antworten:

  • Warum sind viele also nicht bereit, für Lebensmittel mehr Geld auszugeben?
  • Warum sind viele nicht bereit, sich genauer mit den Mitteln, die sie am Leben erhalten, zu beschäftigen?
  • Warum ist so viel Geld und Energie vorhanden, sich mit den neuesten Smartphone und allen technischen Schnickschnack zu beschäftigen, und warum wird so wenig Zeit für die Ernährung investiert?
  • Warum haben Lebensmittel nicht die Lobby, die sie verdienen?

 

Quelle:

Redaktionsnetzwerk Deutschland (2020).

https://www.rnd.de/lifestyle/ernahrungsindustrie-deutsche-konnen-nicht-mehr-kochen-FJZ32U67ATZFDIIYYKZJMKWZGQ.html